Besuch in der Heimat: Olaf Strassmann in Altenburg

Drucken
Veröffentlicht am Donnerstag, 19. Juni 2014

Wenn Olaf Strassmann Altenburg besucht, merkt man ihm an, dass er in seine Heimat kommt. Stets hat er ein volles Programm, denn es gilt, Freunde und Bekannte zu besuchen, das altstädtische Flair zu genießen und viele Gespräche zu führen.

Diesmal ist Olaf Strassmann, der 1932 in Zechau-Leesen geboren wurde und mit seiner Familie 1934 nach Altenburg zog, auf Einladung seiner Freundin Dr. Christa Grimm, der Stadt Altenburg und dem Kommunalpolitischen Ring Altenburger Land e.V. (KORA) hier. Vierzehn Tage weilt der Herzens-Altenburger, der im israelischen Rehovot lebt, im Altenburger Land und absolviert dabei auch einige organisierte Termine. Denn Olaf Strassmann ist nicht nur ein Botschafter für die Stadt, er ist ein wichtiger Zeitzeuge: Als Kind einer katholischen Mutter und eines jüdischen Vaters geriet er schon in den frühesten Kindestagen in die Unrechts-Maschinerie der Nationalsozialisten.

 

Olaf Strassmann musste im Herbst 1938 die öffentliche Schule verlassen, obwohl er gerade erst eingeschult worden war. Genau wie seine Geschwister und jüdischen Altersgenossen waren jüdische Kinder auf öffentlichen Schulen nicht mehr erwünscht. Am 28. Oktober 1938 wurde Olafs Vater Philipp Strassmann aus Deutschland ausgewiesen, ohne dass er sich hätte von seinen Lieben verabschieden kön-nen. Er wurde 1941 ermordet, was seine Frau und die Kinder offiziell erst 1944 erfuhren.

Olaf Strassmann im Büro des Oberbürgermeisters, Foto: Ronny SeifarthKurz nach der Ausweisung des Vaters kam Olaf Strassmann ins Jüdische Kinderheim nach Leipzig und besuchte die Ephraim-Carlebach-Schule. 1941 kehrte er zur Mutter nach Altenburg zurück. Diese hatte zumindest für die drei großen Kinder noch im Herbst 1939 eine Ausreise nach Palästina ermöglichen können und lebte mit dem Kleinsten, Bruder Joachim, in einer sehr kleinen, ärmlichen Wohnung im Haus Rossplan 22. Ab 1942 musste Olaf Strassmann den brandmarkenden „Judenstern“ tragen. Als seine Mutter im Jahr 1943 wegen einer freundschaftlichen Beziehung zu einem französischen Kriegsgefangenen zu einer Zuchthausstrafe in Ziegenhain bei Kassel verurteilt wird, schien das Schicksal der Kinder besiegelt. Und doch betont Olaf Strassmann immer wieder, dass es gerade ein Gestapo-Mann war, der ihm und seinem Bruder das Leben rettete. Niemand Geringeres als sein ehemaliger Klassenlehrer schaffte es schließlich, beide Brüder in einer Waisenstation im Jüdischen Krankenhaus Iranische Straße in Berlin unterzubringen. Es ist nachdenkenswert, dass ein Gestapo-Bediensteter sich um das Wohl zweier „halb-jüdischer“ Kinder bemühte.

 

Am 10. März 1944 wurden Olaf und Joachim Strassmann von Berlin aus nach Theresienstadt ins dortige Ghetto deportiert. Als ob die Trennung von Vater, Mutter und Geschwistern, die Brandmarkung durch den „Judenstern“ und die Deportation in das Ghetto nicht Schicksal genug gewesen wären, standen die Brüder eines Tages auf einer Transportliste nach Auschwitz. Olaf Strassmann hatte von Mithäftlingen gehört, was die Umsiedlung in ein „neues Lager“ bedeuten würde und war gewarnt. Dass beide eine Christin zur Mutter hatten, sollte ihnen nun das Leben retten – und der Einsatz von Dr. Fritz Grunsfeld, ebenfalls ein Internierter des Ghettos und Rechtsanwalt. Dessen Intervention führte zur Streichung beider Namen auf der Deportationsliste – und damit zum Überleben. Nach der Befreiung Theresienstadts durch die Rote Armee kehrten Olaf Strassmann und sein Bruder im Frühsommer 1945 nach Altenburg zurück und konnten endlich die bereits 1944 nach Altenburg zurückgekehrte Mutter in die Arme schließen. 1945 zog die kleine Familie in die frühere Heimat Rositz, bevor sie 1948 schließlich Deutschland ganz in Richtung Palästina verließ.

Trotz dieser einschneidenden Erlebnisse ist wohl jeder Gesprächspartner stets aufs Neue verblüfft, welche Lebensfreude und Zufriedenheit Olaf Strassmann ausstrahlt und wie er immer wieder die positiven Erlebnisse herausstellt und die negativen in den Hintergrund rückt. Olaf Strass-mann ist ein beeindruckender Zeitzeuge und so wird er am Montag und Dienstag der nächsten Woche im Spalatin-Gymnaiusm und im Friedrichgymnasium Schülerinnen und Schülern Rede und Antwort stehen – oft schon hat er sich hierfür angeboten und damit dafür gesorgt, dass seine Geschichte nicht in Vergessenheit gerät, wenngleich der bescheidene Olaf Strassmann selbst eher in den Hintergrund der Erzählungen rückt.

 

Bereits in dieser Woche traf Olaf Strassmann Altenburgs Oberbürgermeister Michael Wolf, der ihn in Altenburg begrüßte. Auch die Brüderkirche besuchte er, als beim Mittagsgebet am Mittwoch dem ehemaligen Pfarrer Michael Wohlfarth zum Geburtstag gratuliert wurde. Darüber hinaus werden Mitglie-der des Kommunalpolitischen Rings Altenburger Land e.V. (KORA) Olaf Strassmann am Ende der Woche treffen und ein Zeitzeugengespräch audiovisuell aufzeichnen.

Am 29. Juni 2014 wird Olaf Strassmann noch Erfurt einen Besuch abstatten, bevor er zurück in seine Heimat fliegt. Eines steht schon heute fest: Altenburg wird er in seinem Herzen wieder mit nach Israel nehmen.

Die Zeitzeugenbegegnung wird finanziell unterstützt von der Stiftung Erinnerung-Verantwortung-Zukunft (EVZ).

Christian Repkewitz

Copyright 2011 Kommunalpolitischer Ring Altenburger Land e.V. - Technische Unterstuetzung durch ossoftware.de - Powered by Joomla - Joomla templates 1.7 free by Hostgator